17. September 2009

Aktuelle Stunde zum Truppenübungsplatz Wildflecken

Vizepräsident Heinrich Heidel: Vielen Dank, Herr Kollege Görig. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Kollege May das Wort.

Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Wir sind der LINKEN sehr dankbar dafür, dass sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Wir sind nämlich derMeinung, dass die Situation am Truppenübungsplatz Wildflecken zu einigem Beratungsbedarf geführt hat. Die Menschen in Wildflecken haben in den letzten Jahren ziemlich unter diesem Truppenübungsplatz gelitten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die hohen Werte Hexogen im Trinkwasser. Ich rede von der Lärmbelastungdurch die Übungen für die Kriegseinsätze. Für uns ist ganz klar: Wo ein Truppenübungsplatz betrieben wird, müssen die Beeinträchtigungen für die Menschen und die Natur, soweit das möglich ist, in Grenzengehalten werden. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund der LINKEN)

Auch müsste kritisch hinterfragt werden, ob ein Truppenübungsplatz an dieser Stelle unbedingt notwendig ist oder ob es erwägenswert wäre, das Gebiet des Truppenübungsplatzes in das Biosphärenreservat Rhön zu integrieren. (Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Aber diesen Fragen haben Sie sich mit Ihrem Redebeitrag nicht gestellt. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD)) Ein wenig hat mich auch der Titel Ihres Antrags verwundert. Sie haben geschrieben, auf einem Truppenübungsplatz dürften keine Kriegsübungen stattfinden. Man kann unterschiedliche Meinungen zum Krieg haben. Man kann der Meinung sein, dass ein Staat eine Armee braucht. Dieser Meinung ist DIE LINKE. Davon habe ich mich gestern Abend noch überzeugt. DIE LINKE will, dass Deutschland eine Verteidigungsarmee hat. Diese Armee muss dann doch auch in der Lage sein, ihrem Auftrag, zu verteidigen, zu genügen. Deshalb muss sie auch üben können. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und derFDP)

Genau deswegen ist es vollkommen unerheblich, ob sichdie Bundeswehr in Afghanistan befindet oder nicht. Truppenübungsplätze müsste man trotzdem haben. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowiebei Abgeordneten der CDU, der SPD und derFDP)

Sie haben damit bewiesen, dass es Ihnen nicht darum ging, über den Truppenübungsplatz zu sprechen.Vielmehr ging es Ihnen darum, das Thema Afghanistan noch einmal hochzuziehen. Ich habe Zweifel daran, ob dieser Landtag,ein Landesparlament, dafür der richtige Ort ist.(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Meiner Kenntnis nach ist es schon etwas länger her, dass Hessen eine eigene Armee unterhalten hat. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)Nun hat das Thema aber seinen Weg in den Landtag gefunden.

Da ich es in meiner früheren Tätigkeit als Lehrer gewohnt bin, fachfremd zu unterrichten, (Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD) möchte ich nicht darauf verzichten, Ihren Argumenten zu entgegnen. Es ist durchaus berechtigt, sich kritisch zu der aktuellenPolitik hinsichtlich Afghanistans zu äußern. Auch wir GRÜNEN haben in der letzten Legislaturperiode des Bundestages geäußert, dass wir einen Strategiewechsel hin zu mehr Investitionen in den Wiederaufbau wollen und dass die Situation in Afghanistan nicht zufriedenstellend ist. Ihre Forderung, die ISAF, die auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen in Afghanistan ist, um den afghanischen Staat aufzubauen, abzuziehen, ist populistisch. Denn Sie vergessen dabei, eines zu sagen. Es ist eben gerade nicht so, dass, falls die ISAF abziehen würde, Frieden wäre und sich keine Truppen mehr in Afghanistan befinden würden. Das Gegenteil wäre der Fall. Wenn die ISAF abziehen würde, würden andere Truppen sie ersetzen. Damit würde der Bürgerkrieg in Afghanistan in ungeahnterWeise aufflammen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Deshalb greift diese Argumentation zu kurz. Ich betone es noch einmal: Dieses Parlament ist für dieVerteidigungspolitik nicht zuständig. (Beifall der Abg. Nancy Faeser und Marius Weiß(SPD))1456 Hessischer Landtag · 18.Wahlperiode · 21. Sitzung · 17. September 2009

Es dokumentiert nur Ihr Desinteresse an der Sachpolitikauf Landesebene, dass Sie hier einfach Module aus dem Bundestagswahlkampf in den Landtag einbringen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und derFDP) Gleichwohl will ich sagen, dass Hessen einen Beitrag zumF rieden in der Welt und insbesondere in Afghanistan leisten kann. Das kann z. B. durch Entwicklungskooperationen oder den Aufbau staatlicher Strukturen, insbesondere bei der Polizei, geschehen. Dieser Aufbau ist nämlich notwendig, wenn wir über den Abzug der ISAF ernsthaft redenwollen. Da helfen uns diese populistischen Plattitüden nicht weiter. Ich denke, so ehrlich sollten wir in dieser Angelegenheit mit den Leuten umgehen. –

Vielen Dankfür Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und derFDP)

Vizepräsident Heinrich Heidel: Herr Kollege May, vielen Dank. – Das war die erste Rede des Herrn Kollegen May in diesem Parlament. HerzlichenGlückwunsch dazu. (Allgemeiner Beifall – Horst Klee (CDU): Es ist richtig schön, dass der Kollege Häusling jetzt im Europäischen Parlament ist! – Heiterkeit – ThorstenSchäfer-Gümbel (SPD): 1 : 0 für Herrn Klee!) Jetzt haben wir alle unseren Spaß gehabt. Aber jetzt hat Herr Kollege Blum für die FDP-Fraktion das Wort.(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Reif musste leider hier bleiben!)