10. September 2012

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes

102.Sitzung – 27.03.2012 – Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes und anderer Vorschriften – Drucks. 18/5447 –

Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben eben die Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Frau Ministerin gehört und erfahren, wieso wir in Geisenheim eine neue Hochschule brauchen. Wir haben eine kurze Begründung gehört. Für uns ist diese Begründung nicht schlüssig. Wir haben in Geisenheim eine über Jahre gewachsene Struktur: eine Zusammenarbeit der Hochschule Rhein-Main mit der Forschungsanstalt Geisenheim, die bisher gut funktioniert hat. Sicherlich können aufgrund der geänderten hochschulpolitischen Rahmenbedingungen in Geisenheim Forschung und Lehre, die lange Zeit getrennt sein mussten, jetzt endlich zusammengeführt werden. An diesem Punkt sind wir mit Ihnen völlig einer Meinung. Es ist sinnvoll, Forschung und Lehre in Geisenheim zusammenzufassen.

Aber Sie haben uns nicht erklärt, wieso das ausgerechnet im Rahmen einer ausgelagerten neuen Hochschule, also nach der Trennung von der Hochschule Rhein-Main, erfolgen muss. Die Verbesserungen, die Sie durch die Errichtung der neuen Hochschule in Geisenheim erreichen wollen, bestehen darin, dass man in Zukunft dort promovieren kann und dass Forschung und Lehre zusammengefasst werden. Beide Ziele werden von uns unterstützt.

Allerdings ist uns nicht klar, wieso man diese Ziele nicht auch unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main erreichen kann. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Uns ist nicht klar geworden, wieso ein funktionierendes System aufgebrochen wird, obwohl man nicht genau absehen kann, welche Nebenwirkungen durch dieses Aufbrechen zu erwarten sind. Zudem schreiben Sie im Gesetzesvorblatt, dass es einmalige Kosten von etwa 0,5 Millionen €  und laufende zusätzliche Kosten von 1,5 Millionen €  geben wird. Selbst wenn diese optimistischen Schätzungen zutreffen sollten, müssen Sie sich die Frage stellen lassen: Zu welchem Nutzen wird dieser finanzielle Mehraufwand betrieben? Zu welchem Nutzen werden zusätzliche Bürokratiekosten erzeugt, wenn doch das Geld angesichts steigender Studierendenzahlen nin Forschung und Lehre allemal besser eingesetzt wäre?

Darauf liefern Sie keine befriedigende Antwort. Ihr einziges Argument ist: Wenn wir dort eine Hochschule neu gründen, haben wir eine bessere Sichtbarkeit von Forschung und Lehre. – Dieses Argument läuft aber ins Leere; denn damit behaupten Sie, dass, wenn wir an der Struktur nichts ändern würden, Forschung und Lehre, die dort, wie Sie beschrieben haben – da sind wir einer Meinung –, gut funktionieren, nicht sichtbar wären. Das ist aber ein Zirkelschluss, den wir so nicht ziehen. Wir sind der Meinung, Forschung und Lehre können sich dort, auch unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main, sehr wohl sehen lassen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Witzenhausen ist ja auch sichtbar!)

Zudem würde in Geisenheim eine ganz punktuelle Ausbildung stattfinden. Es wäre keine Vernetzung mit anderen Fachbereichen an der Hochschule Rhein-Main mehr möglich. Zum Beispiel für den Fachbereich Landschaftsarchitektur wäre das aber durchaus wünschenswert. Von daher sehen wir an dieser Stelle auch keinen Gewinn für die Studierenden oder für die Lehrenden. Es ist deshalb für uns klar: Mit dem Geld, das Sie für die Begleichung zusätzlicher Bürokratiekosten ausgeben wollen, die dadurch entstehen, dass Sie dort eine neue Verwaltung aufbauen, sollte man besser Forschung und Lehre finanzieren. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns ist auch nicht klar geworden, wieso diese Neugründung ausgerechnet jetzt und so schnell vorgenommen werden muss. Sie wollen die Hochschule schon zum 1. Januar nächsten Jahres einrichten. Das wird dazu führen, dass die Übertragung der Verwaltung der Studierenden in einem unglaublichen Tempo erfolgen muss, wobei, wie man der Regierungsanhörung entnehmen kann, erhebliche Probleme gesehen werden.

Für uns GRÜNE ist klar: Wieso sollten wir uns diese Probleme – auch zeitlicher Art – bei der Organisation der neuen Hochschule Geisenheim ans Bein binden, wenn wir dort ein vernünftiges System haben? Für uns GRÜNE hat sich die Organisation durch die Hochschule Rhein-Main am Standort Geisenheim bewährt. Die Zusammenlegung von Forschung und Lehre unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main ist möglich. Am Standort der Hochschule Rhein-Main kann genauso gut wie in Geisenheim allein eine Hochschule neuen Typs installiert werden. Die Ausgründung ergibt nach unserem derzeitigen Informationsstand keinen Sinn. Wir denken, andersherum wird eher ein Schuh daraus: Wenn wir diese Änderungen, d. h. die Zusammenführung von Forschung und Lehre, unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main gestalteten, würden wir uns nicht nur die zusätzlichen Bürokratiekosten sparen, sondern durch die Eingliederung der Forschungsanstalt Geisenheim auch die Hochschule Rhein-Main stärken. Wir sind dagegen, aus Prestigegründen funktionierende Strukturen zu zerschlagen und unnötig viel Geld in die Verwaltung zu stecken, wenn es doch in Forschung und Lehre viel besser aufgehoben ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))